Die Wahrheit ist, ich denke zu viel. Ich interpretiere zu viel. Ich analysiere zu viel. Ich bin mir sicher, dass der Wahnsinn mit den Gedichtsinterpretationen in der 10. Klasse begann, als ich Dinge aus herzzerreißenden Balladen las, die einfach nicht existent waren. Ich habe mich so sehr in das Geschriebene hineingesteigert, dass ich Zeilen überinterpretiert habe. Der Lieblingsspruch meiner Lehrerin war damals: „Julia, Du musst die Dinge auch belegen können.“ Für mich lag der Sachverhalt klar auf der Hand, in meinem Kopf hat sich alles zu einem logischen Konstrukt zusammengefügt, das für andere aber nicht nachvollziehbar war.

So ist es noch heute. Ich interpretiere und analysiere Zeilen, wo es eigentlich nichts zu analysieren gibt. Ich mache mir um Dinge Gedanken, die eigentlich keinen Gedanken wert sind. Ich bin nicht im Stande dazu, Situationen auf mich zukommen zu lassen. Ich rede mir zwar ein, dass ich das könnte, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin liegt das für mich im Bereich des Unmöglichen. Genau wie Atomphysik. Ich bin ein Meister im Pläne schmieden und habe klare Ziele für mein Leben. Die Ziele bleiben auch, nur die Pläne, um sie zu erreichen schmeiße ich ständig über den Haufen. Letztendlich sind die Dinge bisher immer anders verlaufen als zu Beginn geplant. Dadurch ist mein Leben nicht schlechter geworden, im Gegenteil: Ich habe Erfahrungen gesammelt, Menschen kennen gelernt und Dinge erlebt, die ich nicht mehr missen möchte und durch die ich ein Stück gewachsen bin. Eigentlich der ultimative Beweis dafür, endlich einmal die Zügel los zu lassen und zu beobachten wo es mich hinträgt.

Ich werde dieses Jahr 25 Jahre alt. Mit neun dachte ich, dass ich mit 25 heirate, eine Familie gründe und selbstverständlich auch ein Haus bauen werde. Diese kindliche Naivität ist für mich heute absurd. Wenn mich die neunjährige Julia jetzt fragen würde, ob ich erwachsen sei, würde ich in schallendes Gelächter ausbrechen. Ich kann mir nicht im entferntesten ausmalen, wie mein Leben die nächsten 60 Jahre verlaufen wird, sesshaft zu werden und einen Batzen Verantwortung tragen zu können. Fakt ist, ich habe keinen Plan, ich will nur einen haben. Ich weiß gerne was Phase ist, was als nächstes kommt und wo es mich hinträgt. Ich möchte allwissend sein und verstehen woran ich bin. Diese Sache mit der Ungewissheit ist nicht so meins, auch wenn ich vehement versuche mich mit ihr anzufreunden. Es ist wie mit dem einem Mädchen das alle toll finden. Nur man selbst findet sie doof, darum bemüht man sich noch mehr sie zu mögen. Letztendlich sind daraus meine wunderbarsten Freundschaften entstanden. Indem ich über den Tellerrand hinaus geschaut habe, mich mit den Personen beschäftigt, sie kennen sowie lieben gelernt habe und mich nicht auf die Meinung Anderer verließ, wurde mein Leben bereichert. Heute sind diese zwei Mädchen meine besten Freundinnen. Ich möchte, dass auch die Ungewissheit und ich uns so gut verstehen. Ich habe ein großes Herz, da wäre also noch Platz, aber so richtig springt der Funke nicht über und das nervt. Ziemlich sogar.

Letztendlich merke ich, dass ich mit 25 noch weit vom Erwachsensein entfernt bin und noch groß werden muss. Ich möchte wachsen und zwar über mich hinaus.