Das Gefühl zu Hause zu sein ist wohlig und warm. Es breitet sich vom Herzen bis in die Fingerspitzen aus und zaubert ein Lächeln ins Gesicht. Es ist immer in uns. Manchmal vergraben wir es, manchmal suhlen wir uns in ihm und manchmal lassen wir es frei. Die Geborgenheit die einen empfängt wenn man das Ortsschild seines Heimorts passiert und das erste bekannte Gesicht sieht ist für mich eines der wertvollsten Dinge. Ein Zuhause zu haben ist zum Luxusgut geworden und dieses Gefühl hege ich wie einen Schatz. Es bedeutet in einem Mikro-Kosmos zu leben zu dem nur eine Handvoll Menschen Zutritt hat. Man kennt sich untereinander, weiß wie der jeweils andere aufgewachsen ist und man respektiert sich. Es beginnt beim „Guten Tag“ im Dorfladen und endet beim Bier in der Kneipe nebenan. Die Personen in ihm sind vertraut und lassen Dich der sein, der Du wirklich bist. Dort kannst Du Dich von Deiner schönsten, aber gleichzeitig auch von Deiner hässlichsten Seite zeigen. Sie wissen was Du liebst und wissen was Du hasst. Lassen Dich träumen oder zeigen Dir die bittere Wahrheit. In ihm hat man Zeit innezuhalten, reflektiert über sich selbst zu urteilen und den Rest der Welt links liegen zu lassen. Dort bist für wenige Personen Du die Welt. Du bist die Person, die anderen am Herzen liegt, um die sie sich sorgen – die sie lieben.

Wir sind viel zu oft damit beschäftigt von Fremden beachtet und gemocht zu werden und vergessen darüber hinaus unseren eigenen Mikro-Kosmos, der mit Perfektion gleichzusetzen ist. Er ist das was wir brauchen wenn wir traurig sind, wollen unsere schönsten Momente mit ihm verbringen und vermissen ihn schmerzlich, wenn wir ihn verlassen. Mein Mikro-Kosmos ist winzig, wunderbar, rein und mein ganzes Leben. Ich könnte mir keinen Tag ohne ihn vorstellen und lebe für ihn. Ich würde mein letztes Hemd für die Personen geben, die meiner kleinen Welt angehören, die mein Zuhause sind, mein Hafen, mein Ein und Alles. Er gibt mir die Kraft und den Mut für das große Ganze da draußen und zeigt mir, dass ich wichtig bin. Sind es also nicht vielmehr die Personen, die die eigene Heimat zum Zuhause machen, als ein simpler Ort? Nein. Wenn mich jemand nach meiner Heimat fragt muss ich einen Ort nennen, der genau 53,4 km von meinem eigentlichen Zuhause entfernt ist. Und das traurige ist, dass dieser Ort so gar nicht meine Heimat beschreibt. Meine Heimat ist mehr als irgendeine Stadt, die 53,4km von Steina entfernt ist. Meine Heimat ist der reinste und vertrauensvollste Ort der Welt. Er ist ein Gefühl. Die Glückseligkeit wenn ich inmitten eines Waldes stehe. Die Verzweiflung, wenn um zwei Uhr nachts kein Taxi mehr fährt und die Gewissheit der Beständigkeit. In einer Welt, die sich sekündlich verändert ist es ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass an einem Flecken der Erde sich kaum etwas verändern wird. Die Leute haben immer noch die gleichen Vorurteile gegenüber des großen Ganzen, die immer gleichen Personen begegnen einem auf der Straße und man grüßt sich – jedes Mal. Diese Dinge lassen mich immer wieder schmunzeln wenn ich durch die Straßen Hamburgs gehe und ausschließlich in fremde Gesichter blicke. Ich sehe etwas, das mich an einen Moment Zuhause erinnert und sofort durchfährt mein Körper ein bittersüßes Gefühl. Zum einen die Sehnsucht, zum anderen aber das unglaubliche Glück, dass ich meine Heimat immer in meinem Herzen habe. Die Erinnerungen, die man mit sich trägt und die immer wieder Assoziationen schaffen gäbe es nicht, wenn ich nicht an diesem wundervollen Ort groß geworden wäre.

Selbstverständlich hätte ich solche Erinnerungen auch, wenn ich an einem anderen Flecken der Erde groß geworden wäre, aber wären sie dann auch so zuckersüß? Ich hatte wohl das, was man eine perfekte Kindheit nennt. Eine wunderbare Familie, tolle Freunde, einen Wald zum Toben vor der Nase und eine Freundin, die fünf Minuten von mir entfernt gewohnt hat und mit der ich einfach alles erlebt habe. Wenn es nach diesen Aspekten geht hält meine Kindheit noch immer an. Ich bin mit den gleichen wundervollen Menschen um mich herum und mit der Verbundenheit zu diesem ganz besonderen Ort gesegnet. Für mich ist Heimat ein Gefühl, denn egal an welchem Ort in Steina bin, ich teile mit ihm eine Erinnerung. Wenn ich jetzt durch die Straßen gehe, die ich als 10-jährige mit dem Fahrrad entlanggefahren bin oder den Fluß überquere in dem ich als kleines Kind mit meiner besten Freundin gespielt habe, sehe ich immer mein tiefstes Inneres. Es zeigt mir wer ich einmal war und wer ich immer sein wollte. Es erinnert mich daran Ich-selbst zu bleiben und keine verzogene Figur, die sich von anderen formen lässt. Ein Zuhause zu haben heißt man selbst zu bleiben und alles andere einmal ruhen zu lassen. Wenn ich über ein Feld laufe ist das für mich Seelenfrieden und gibt mir die Gelassenheit, die ich oftmals so dringend benötige. Wir brauchen ein Zuhause, damit wir uns immer wieder selbst daran erinnern können was wir im Leben wollen und erwarten, um in uns zu horchen und rasten zu können. Viele meiner Freunde, die ich später kennen gelernt habe verstehen nicht, dass ich noch immer so sehr mit meiner Heimat verbunden bin. Dass es mich schmerzt, wenn ich lange nicht da war und ich oft Sehnsucht danach habe. Für mich ist es aber mehr als „nur“ eine Heimat. Es ist der Ort, mit dem ich die schönsten Erinnerungen verbinde. Wo ich eine Rotbuche im Kinderwald gepflanzt habe, wo ich auf Bäume geklettert bin und wo ich vom Römerstein aus über meinen größten Schatz blicken kann – mein Zuhause. Es ist mehr als nur ein Gefühl, es ist ein Harzgefühl.