Es gibt sehr viele Dinge in denen ich nicht gut bin. Etwas in dem ich besonders schlecht bin sind Abschiede. Egal, ob ich mich von Personen, Orten oder materiellen Dingen trennen muss, jedes Mal versetzt es meinem Herzen einen kleinen, mittelgroßen oder gigantischen Stich. Ja, ein Abschied ist immer auch ein Neuanfang, aber manchmal möchte ich gar nicht „Lebe wohl“ sagen.

Als ich aus meinem Elternhaus auszog, litt ich bei jedem Abschied wie ein Hund. Damals saß ich inmitten meines leeren Kinderzimmers und ließ die letzten zwanzig Jahre Revue passieren. Das Rumalbern mit meiner Schwester, die Mädchenabende mit fünf Tonnen Süßkram oder die Zeit alleine mit einem guten Buch in der Hand – all diese Momente krochen sich in meine Gedanken. Also machen wir uns an dieser Stelle nichts vor: Ich habe geheult wie ein kleines Mädchen. Bis dato wusste ich allerdings noch nicht, wie schwer es ist sich von seiner Familie zu verabschieden. Da ich den Umzug alleine mit meinem Papa gewuppt habe, musste ich mich morgens von meiner Mama verabschieden. Nie werde ich das Bild vergessen, als sie mich weckte, um „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Ich hatte Schlaf in den Augen und war mir vollkommen unbewusst dem gegenüber, was gleich passieren würde. Es war wie ein Schlag in die Magengrube und „Ernst“ hat plötzlich auch noch an die Tür geklopft. Sie saß in Hosenanzug und Bluse auf meiner Bettkante, bereit um zur Arbeit zu fahren, sie beugte sich zu mir rüber und nahm mich fest in den Arm. In dieser Position verweilten wir gefühlte 500 Jahre, während wir leise vor uns her schluchzten. In diesem Moment fühlte ich mich wieder wie fünf, als ich auf den Pflastersteinen stolperte, mir das Knie aufschlug und die einzige Wiedergutmachung die Umarmung meiner Mama war. Ich wünschte ich könnte für immer fünf bleiben.

Jemanden loszulassen und nicht zu wissen, wohin sich die Beziehung entwickeln wird kann ich nicht leiden. Da ist es wieder, mein Problem mit der Ungewissheit. Dingen seinen Lauf zu lassen und Situationen auf sich zukommen zu lassen, kann ich einfach nicht. Ich möchte sie viel lieber beherrschen und einschätzen können, wohin es mit der Person führt. Dabei habe ich mit den Jahren eigentlich gelernt, dass am Ende eh immer alles anders kommt als ursprünglich geplant. Dass man manche Menschen einfach ziehen und loslassen muss. Für mich ist sowohl die Einsicht, als auch der Prozess, jedes Mal ein Akt der Überwindung. Immer und immer wieder lege ich mein ganzes Herz in die Waagschale, obwohl ich es mit der Zeit doch eigentlich besser wissen sollte. Selten ist das Verhältnis ausgeglichen, vielmehr bin ich diejenige, die den Kürzeren zieht und von neuem lernen muss loszulassen. Ist dies dann endlich geschafft, stellt sich mir die zweite Hürde in den Weg: das Vergessen. Es steht selbstgefällig, mit dickem Bauch sowie gemeinem Grinsen da und zeigt mir den Mittelfinger. Leider reicht der „Spiegel für den ganzen Körper“ nicht aus, um die unliebsame Tatsache, jemanden lebe wohl sagen zu müssen, vertreiben zu können. Einen Menschen zu vergessen oder ihn vielmehr gleichgültig für mich werden zu lassen, ist mein persönlicher Endgegner. Zumeist gehe ich während dieses Prozesses zwei Schritte voran, um anschließend wieder drei rückwärts zu laufen. Im Grunde zeigt es mir nur, dass ich eine Person die ich mag, oder gar liebe, mit meinem ganzen Herzen liebe. Und exakt an dieser Stelle fängt es an für mich gefährlich zu werden. Wenn ein Mensch ungewollt aus meinem Leben tritt oder sich immer weiter von mir weg entfernt, knabbere ich daran wie an einer überdimensionalen Mohrrübe. Dagegen kann ich partout nichts machen, außer weiterhin an meiner Möhre zu mümmeln und mir gemeinsam mit den wunderbaren Menschen, die geblieben sind, den ein oder anderen Tequila zu gönnen. In diesem Sinne: Cheers!