Ich bin ein Mensch, der lange braucht um wagemutig zu sein. Müsste ich mich zwischen Ungewissheit und Sicherheit entscheiden, wählte ich stets die Sicherheit. Ich wünschte dies zu ändern, aber oftmals wurde ich enttäuscht, wenn ich versuchte mutig zu sein. Letztendlich krieche ich immer wieder in meine Seifenblase zurück und mache es mir dort bequem. Mit der Zeit stelle ich aber fest, dass so zu leben, nur halb so schön ist. Es macht viel mehr Freude, wenn das Herz schneller schlägt, die Haut vor Aufregung kribbelt und die Zukunft, zumindest in Teilen, ungewiss ist.
Genauso geht es Santiago. Santiago ist Schafhirte in Andalusien und träumt davon, die Welt zu bereisen. Der Schafhirte ist der Hauptprotagonist von Paulo Coelhos Roman „Der Alchimist“. Coelhos schickt den Leser auf eine Reise mit Santiago, nachdem er zweimal von einem Kind träumte, das ihm am Fuße der Pyramiden einen Schatz zeigt. Eine Traumdeuterin fordert Santiago auf, dem Traum zu folgen und so beginnt er seinen Weg in eine ungewisse Zukunft. Er beginnt ein Leben als Rastloser, Entdecker und Schüler. Seinen Weg kreuzen immer wieder Personen, die ihn bereichern. Die ihn lehren und wachsen lassen. Dabei sind dies nicht nur positive Begegnungen: Santiago hat mit Räubern und Egoisten zu kämpfen. Mit Niederlagen und Selbstzweifeln. Mit Schmerzen und Hoffnungslosigkeit. Aber er geht weiter. Setzt einen Fuß vor den anderen, lernt dabei die Liebe seines Lebens, Fatima, kennen und trifft durch einen Akt der Selbstlosigkeit auf den Alchimisten. Dies ist einer der weisesten und selbstlosesten Menschen, die es zu geben scheint. Eine Person, die aus Blei Gold machen kann und Santiago dies nach einer langen, gemeinsamen Reise lehrt.
I am like everyone else – I see the world in terms of what I would like to see happen, not what actually does.
(Paulo Coelho, The Alchimist)
Letztendlich erreicht Santiago den Fuß der Pyramiden und gräbt nach dem Schatz, der ihm im Traum erschien. Aber dort stößt er auf keinen Reichtum, sondern auf Räuber, denen Santiago seinen Traum erzählt. Sie verspotten ihn, dass er eine so weite Reise wegen eines Traums auf sich nimmt. Schließlich berichtet einer der Diebe von seinem wiederkehrenden Traum: Von einem Schatz in Andalusien, der bei einer Kirche liegt, wo Hirten ihre Schafe hüten und von einem Feigenbaum, der in der Sakristei wächst. Aber er sei niemals so blöd, für einen Traum die Wüste zu durchqueren. Der aufmerksame Leser wird nun bemerkt haben, dass Santiago aus Andalusien kommt, dort als Schafhirte arbeitet und wie der Zufall es so will, nebst der Sakristei. Ihm fällt es also wie Schuppen vor die Augen und knackt das Geheimnis der Alchemie, dass Blei (Träume) in Gold (Wirklichkeit) zu verwandeln, die Erfüllung des eigenen Lebensplans ist. Nur so erreicht man seine Ziele und gelangt schließlich zum Schatz. Die Liebe spielt dabei natürlich eine nicht unerhebliche Rolle, denn sie hält das Ganze irgendwie zusammen und geleitet uns auf diesem Weg. Zurück in Andalusien findet er den Schatz und kehrt natürlich zurück zu Fatima, um sie zu heiraten.
Santiago ist, neben Iron Man natürlich, einer meiner größten Helden. Er entscheidet sich für eine ungewisse Zukunft, steht nach jedem Rückschlag wieder auf und verliert sein Ziel niemals aus den Augen. Er strebt danach, seinen Traum zu verwirklichen und trotzt dabei allen Widrigkeiten. Er vertraut schlichtweg auf das Universum und sich selbst.
When you want something, all the universe conspires in helping you to achieve it.
(Paulo Coelho, The Alchimist)
Immer wenn ich mutlos, erschöpft und angstvoll bin, denke ich an Santiago. Denke an sein schier unbegrenztes Selbstvertrauen und seinen Optimismus. Santiago zeigt mir, dass eine Reise zielführend ist, auch wenn es manchmal nicht den Anschein hat.
Also los, geht raus in die Welt und findet euren eigenen, ganz persönlichen Schatz. Vielleicht befindet er sich ja schon direkt neben Euch.