Clueso sang einmal „Und überall bist Du“. Ein Song, der mich als Teenager durch schmerzhaften ‚Liebeskummer‘ getragen und mir so viel gegeben hat. Ich bin von einem Typen zum nächsten gezogen, habe mit meinem ganzen Herzen geliebt und wurde oft verletzt. Die festen Freunde wechselten damals so schnell wie der Nummer eins Hit bei den VIVA Top 100 Charts und so wurde die Textzeile immer wieder auf den aktuellsten Herzensbrecher adaptiert. Die Typen gingen, der Text blieb.
Jetzt, gefühlte 30 Jahre später, belächele ich mein junges Ich und blicke dennoch neidisch zurück. Richtigen Herzschmerz hatte ich seit einer Ewigkeit nicht mehr und bis auf einen gescheiterten Versuch das Feuer der ersten großen Liebe noch einmal neu zu entfachen, werden die Liebe und ich irgendwie nicht warm miteinander. Kein Schmachten, keine Sehnsucht, keine tiefen Blicke – nichts. Ich frage mich, wo er auf einmal ist. Früher war er an jedem Ort, jetzt spielen wir Blinde Kuh wobei ich wie ein verlorener Trottel umherirre. „Und überall bist Du“ – Ja, wo denn nun? Es kommt mir vor, als hätte ihn jeder gefunden, jeder ist seiner Liebe begegnet, jeder sieht die für ihn bestimmte Person überall – nur ich spiele noch immer Blinde Kuh mit mir selbst. Muss ich besser suchen, muss ich woanders suchen, muss ich überhaupt suchen? Wie oft habe ich diese originellen Sätze à la „Unverhofft kommt oft“ und den Klassiker „Du musst Dich finden lassen“ gehört. Sie sind unliebsame Ohrwürmer geworden, die ich lieber durch „The lions sleeps tonight“ eintauschen würde. Ein dröhnendes „Aweeeeee“ macht sich doch besser, als der einschlägige Gedanke alleine zu sein. Es hat etwas sehr trauriges, loserhaftes aber dennoch mutiges von sich selbst zu sagen, dass man alleine ist. Natürlich habe ich Freunde und Familie die ich liebe, aber ich möchte diese andere Liebe. Die schmerzhafte, brutale, alles verzehrende und wunderbare Liebe. Oftmals wurde mir gesagt, dass ich zu hohe Ansprüche habe, mich mit weniger zufrieden geben soll. Die Leute, die das sagen sind armselige Pimmel, die Schiss vor der Einsamkeit haben und sich mit „ganz nett“ zufrieden geben. Nett ist der kleine Bruder von Scheiße. War schon immer so und wird auch immer so bleiben. Ich will keine Scheiße, ich will mit den Glücksbärchis auf den Wolken tanzen. Ich bin lieber alleine, als mich mit etwas zufrieden zu geben, das ganz nett ist. Wie können diese Menschen nur glücklich sein? Wie kann man glücklich sein, wenn man nicht zu 1000 Prozent mit seinem ganzem Herzen bei der Sache ist? Da bleib ich doch lieber alleine, swipe nach rechts oder links, erfreue mich daran keinen Klotz am Bein zu haben, labe mich an dem Glück, dass mir meine Herzensmenschen bescheren und mache mir à la Pipi Langstrumpf das Leben so, wie es mir gefällt.
Kreativität und Individualität ist in der heutigen Dating-Gesellschaft eine kostbare Rarität geworden. Es ist vielmehr der schnelle und halbherzige Versuch geworden, doch noch das ganz große Los ziehen zu können. Tindern ist die klägliche Bemühung das schönste, größte, tollste und beste Kuscheltier aus dem Greifautomaten herausfischen zu können. Erst denkt man man hat es, aber letztendlich geht es einem doch nur durch die Finger. Die ersten Unterhaltungen sind aufregend, sogar mit etwas Bauchkribbeln verbunden. Aber nach der 20. Konversation in der die immer gleichen Floskeln geschrieben werden macht sich gähnende Langeweile und ein allumfassendes Desinteresse breit. Spätestens beim ersten Treffen entpuppt sich der Kandidat dann als Winzling und Kamillentee-schlürfenden Bubi. Es fühlt sich wie Copy & Paste-Dating an. Immer die gleichen Unterhaltungen mit den immer gleichen, langweiligen Personen. Ist es da nicht verständlich, dass man schon von vornherein mit einer ordentlichen Portion Pessimismus und einer Null-Bock-Einstellung an diese ganze Tinder-Match-Dating-Kacke ran geht? Die logische Konsequenz ist dann, dass man gar keine Lust mehr hat das große Ganze zu suchen. Dennoch erwische ich mich immer wieder dabei wie ich inklusive Hoffnungsschimmer auf die Flamme im Display drücke und hoffe, dass der Funke überspringt.
Also nehme auch ich meine Jacke und geh Heim, meine Perle Hamburg sie leuchtet und ich bin mir sicher – irgendwo bist Du.